[84]

Kaspar Megander an
Heinrich Utinger,
Leo Jud,
Heinrich Engelhart und
Bullinger
Bern,
1. April 1532

Autograph a : Zürich ZB, Ms F 62,258. Siegelspur. —Ungedruckt

Beunruhigt vom Gerücht, in Zürich werde bereits über die Wiedereinführung der Messe verhandelt, warnt er vor den Folgen eines solchen Schrittes und bittet um eine offene, wenn möglich gedruckte Stellungnahme.

44 Erasmus, De duplici copia verborum ac rerum comentarii, 1511 (LB I 3-110). Das Werk wurde von Bullinger 1523 und 1524 in Kappel behandelt, s. HBD 8,11f; HBBW I 113,23; vgl. Hausammann 148.
45 Quintilian, Institutio Oratoria wurde schon 1520 von Bullinger in Köln studiert, s. HBD 5,8; Hausammann 147.
46 Siehe oben S. 94,1f und Anm. 2.
a Mit Randbemerkungen von J. H. Hottinger.
1 Heinrich Utinger (Uttinger), etwa 1470-1536, von Zürich, bedeutendstes Mitglied des alten Stiftskapitels am Großmünster. Seit 1502 Kommissar des Bischofs von Konstanz in Zürich. Dem Humanismus zugetan, mit Glarean befreundet, übte er einen entscheidenden Einfluß bei der Wahl Zwinglis ans Großmünster aus, schloß sich ganz der Reformation an und wurde Zwinglis Freund, Berater und Mitarbeiter. Als Kustos des Stiftes, Schreiber des Ehegerichts, Mitglied der Aufsichtsbehörde über alle zürcherischen Druckerzeugnisse, Aufseher bei der Einführung des neuen Almosenwesens u. a. ist er eine Schlüsselfigur der Zürcher Reformation. 1532 war er Beauftragter des Stiftes bei dessen Neugestaltung und erwarb sich große Verdienste um die Bewahrung des Stiftsgutes vor dem Zugriff des Staates für kirchliche und schulische Zwecke im Sinne der Reformation (s. Leo Weisz, Quellen zur Reformationsgeschichte des Großmünsters in Zürich, in: Zwa VII
66-73). Sowohl Zwingli als Bullinger schätzten ihn sehr hoch. Utinger war mit Heinrich Brennwald Herausgeber von Bullingers «Anklage und ernstliches Ermahnen Gottes» 1528 (HBBibI I 3), setzte sich im Dezember 1531 für Bullingers Wahl ein (HBRG III 293; HBD 20,27f) und blieb mit ihm freundschaftlich verbunden: Er wurde Pate von Bullingers Tochter Elisabeth (HBD 22,12). 1533 nahm er zusammen mit Bullinger an einer Abordnung nach Konstanz teil (HBD 23,15). Bullinger widmete ihm 1536 den Kommentar zu den Briefen an Titus und Philemon (HBBibl I 81). — Lit.: AZürcherRef, Reg.; ABernerRef 1570; HBRG, Reg.; Z VII 110, Anm. 1; Adrian Corrodi-Sulzer, Zur Biographie des Chorherrn Heinrich Utinger, in: Zwa IV 245-249; Farner II 168.288; Fast 34.168; Jacob 89-94.107.232.285; HBLS VII 180, mit weiterer Lit.
2 Heinrich Engelhart (Engelhard, Engelhardt), gest. 1551, war seit 1496 Leutpriester am Zürcher Fraumünster, wo er auch eine Chorherrenpfründe innehatte (AZürcherRef 889). Auf sein zweites Kanonikat am Großmünster verzichtete er im April 1521 zugunsten Zwinglis (Egli, Analecta I 22-24), für dessen Wahl als Leutpriester er sich schon 1518 eingesetzt hatte. Engelhart wurde eine Stütze der Reformation, befaßte sich als Verordneter mit zahlreichen kirchlichen Angelegenheiten und war Obmann des Ehegerichts (Köhler, Ehegericht I 37). Bullinger kannte Engelhart wahrscheinlich seit


Projektseite
Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung
Briefe_Vol_02_0099arpa

Gratiam a domino, charissimi fratres.

Posteriora semper prioribus deteriora sunt 3 , quae a Tiguro, patria nostra, audimus. Nam passim dicitur constanti fama non multis ante diebus ad senatum populumque vestrae urbis relatum esse atque votis actum, num missam apud vos abrogatam aut restauratam esse velitis necne. Hoc hodie a fratribus Basileensibus ad constanciam nos adhortantibus certo accepimus 4 . Quodsi hoc factum est Tiguri, quemadmodum minime credo, ubi fere iam annis quindecim 5 Christus tanta fide et veritate anunciatus est, quid apud nos futurum speratis, qui Christum et verbum eius vixdum degustavimus et apud quos fructus seminis iacti facilius deperit 6 ? Proh d[eos]hominesque 7 , cui laborem ista aut negocium, imo lachrymas non facessunt? Quodsi minime vera haec sunt, quemadmodum magna teneor spe, idque multis argumentis hic non scribendis, vestrum erit, charissimi fratres, ut unicum hoc summa vi et opere elaboretis, quo in loco res vestrae Tigurinae sint, omnibus indicetur atque rumor is vanus ac labes, qua inique notatur Tigurum, profligatur et abstergatur. Oro, obsecro, contendo quoque hoc solum a vobis, charissimi fratres. Magnam profecto vobis hinc laudem, verbo et negocio domini frugem cunctisque piis animum et comoditatem paraturi eritis. Reddetis enim omnibus Christi fautoribus nostro in agro 8 animum, impiis vero ad difamandum aut maledicandum [!] ora obstruetis. Quo occasionem satis aptam habeatis, literas, quas nuper senatui vestro adhortato[rias], et apologiam rescriptam mihi 9 , quam hic vobis submitto, si senatus consensu b licebit, praelis comittatis 10 . Si hoc visum vobis, temeraria mea scripta diligencius amplificando dispicietis. Succurrite ruenti ecclesiae (si mundus adhuc apud vos est Christus et verbum eius), obsecro, charissimi fratres.

Bernae, primo apprilis anno 32.

C. Megand. vester.

[Adresse auf der Rückseite:] Utingero, Leoni Jud, D. Engelhardo et Bullingero, apud Tigurum, charissimis suis fratribus.

b favore gestrichen, consensu am Rande nachgetragen.
Ende 1523, als er Zürich besuchte, persönlich (vgl. HBD 8,23f); über ihr Verhältnis ist jedoch kaum etwas bekannt. — Lit.: AZürcherRef, Reg.; HBRG, Reg.; Z VII 113, Anm. 7; Farner II 304.413. III 546. IV 56; Jacob 84.88.91-98; HBLS III 40; Pfarrerbuch 254.
3 Vgl. 2 Petr 2,20.
4 Der Brief scheint nicht erhalten zu sein.
5 Genauer seit Zwinglis Amtsübernahme am 1. Januar 1519 in Zürich.
6 Vgl. Mt 13,3ff.
7 Vgl. Otto 108, Nr. 511.
8 Bernbiet, Landschaft.
9 Siehe Meganders Brief an Zürich, 22. März 1532 (AZürcherRef 1828) bzw. Bern an Zürich, 22. März 1532 (ASchweizerRef IV 1492) sowie die Antwort Zürichs an Bern vom 25. März (ASchweizerRef IV 1501); eine andere «apologia» von Zürich ist nicht erhalten.
10 Diese Schriftstücke wurden anscheinend nicht gedruckt. Das Zürcher Mandat von Ende März 1532 (AZürcherRef 1832) betonte jedoch den Entschluß Zürichs, an der Reformation festzuhalten.