[155]

Berchtold Haller an
Bullinger
[Bern],
30. November [1532]

Autograph: Zürich StA, E II 343,101. Siegelspur. —Ungedruckt

Gleichzeitig mit einer Anfrage des Berner Rates an Zürich wegen zwei Problemen der Ehegesetzgebung stellt Haller dieselben Fragen an Bullinger: 1. Ob die Heirat eines schuldig Geschiedenen, wenn

b et alienis übergeschrieben.
10 Zu den Kontakten zwischen den V Orten und Vertretern der Zürcher Landschaft vgl. Maeder, Unruhe 122-124.
11 Vadian denkt hier wahrscheinlich an die süddeutschen reformierten Städte von Straßburg
bis Konstanz.
12 Die protestantischen Fürsten in Deutschland, besonders Philipp von Hessen.
13 Der König von Frankreich.
14 Gemeint ist ostiatim = von Tür zu Tür.
15 Vgl. Adagia, 1,1,24 (LB II 35f).


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Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung
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sie ohne Erlaubnis, gegen das im Gesetz ausgesprochene Verbot geschieht, eine Ehe bewirke. 2. Ob wegen Ehebruch Geschiedene jene Person heiraten dürfen, mit der sie die Ehe gebrochen haben.

S. Querit consilia senatus noster a vestrate in negocio iudicii censorii, quod consistorium vocant 1 . Duae sunt sanctiones ante biennium institutae 2 , quibus casibus experientia quottidiana obvenientibus imposterum occurrere volebamus; sed crescente hominum malicia ita nihil effaecimus, quod quottidie novis conatibus impellant nos, quorum malicia nullo obice impediri potest.

Prior sanctio haec est: die dess eescheidenß schuld tragend, söllend zu dem minsten ein jar lang still stan 3 , sich eerlich und frommklich tragen, sich onn dess egrichts erlouben und gnugsame [k]untschafft 4 der a besserung nitt b vereelichen; welche es aber tätind wider das verbott, sollend unser statt und land miden, doch uff unser gnad und straff 5 . Hic sunt duae declarationes, super quibus senatus concordari non potuit. Ein teil wil es nütt dess minder für ein ee han, diewil sy von gott niemant verspert soll sin 6 , und die leistung 7 von der statt für ein straff der ungehorsami lassen sin. Altera pars: diewil eebruch so ein lichte straff hab, die ze besorgen 8 nitt grösser gmachet werde, musse man den zugang ad secundas nuptias nitt so gmein lassen sin; sust wurde ursach und anlasß gäben zu hury, eescheiden und eebrechen. Desshalb, diewil ouch der jugent under jaren 9 die ee verspert, so si bezugind c10 on verwilgung der eltren, und so sy sich vereelichetend, nitt gestattet, sölle ouch das kein ee sin noch bliben, sunder ein hury, deren, so scheides schuld treyt und über 11 das verbott sich vereelichet. Zühend sy uss unser herren biet, halte man sy, worfür man welle, an andren orten. Faciles sunt magistratus, personas accipere et semel proscriptos rursus in urbem admittere, quo fieret, ut quisque sic ad divortium anhelaret. Tu igitur cogita, quod divinius, id est minus offendere videatur; nam verbum domini super his non habemus 12 .

Posterior lex: es sol hinfür kein person sich mitt der person vereelichen, mitt deren sy geebrechet hett, si trage scheidenß schuld oder nitt. Dise satzung wil sich so wyttleuffig zutragen, daß die gscheidnen ire huren oder buben 13 nämend, vermeinend, wenn es nitt in klag oder recht kummen sye ab innocente 14 und scheidens kein schuld trage, sölle inen nitt verspert sin 15 , quantumvis notorium fuerit adulterium. Ettlich meinend, ergernuß ze vermiden, söllen man salutem ecclesiae höher

a [k]untschafft der am Rande nachgetragen.
b nitt übergeschrieben.
c so si bezugind am Rande nachgetragen.
1 Zusammenfassung der Anfrage aus Bern vom 29. November 1532 sowie des Gutachtens des Zürcher Ehegerichtes und der danach erfolgten Antwort Zürichs: AZürcherRef 1908; ASchweizerRef IV 2022. Gutachten der Zürcher Prediger: ABernerRef 2929. — Zur ganzen Frage s. de Quervain 40f; Köhler, Ehegericht I 334-337.
2 In den Erläuterungen zur Ehegerichtsordnung, 13. November 1530, s. ABernerRef 2905; de Quervain 217; Köhler, Ehegericht I 330-334.
3 zuwarten (SI XI 730).
4 Zeugnis, Beweis (SI III 353).
5 mit Vorbehalt von Begnadigung oder Bestrafung.
6 Vgl. Gen 2,24; Dtn 24,1ff; 1 Kor 7,9.
7 Verbannung, Verweisung (SI III 1473).
8 (wie) zu befürchten; «ze besorgen» = eine Art Parenthese (SI VII 1313).
9 minderjährigen.
10 die sie eingehen.
11 gegen.
12 Weil nämlich der Ehebruch im Alten Testament ohnehin mit dem Tod bestraft wurde, vgl. Lev 20,10.
13 Huren-Buben, Hurer (SI IV 928).
14 wenn es von Seiten des unschuldigen Teils nicht zu Klage oder Prozeß gekommen sei.
15 soll ihnen (die Ehe) nicht verboten sein.


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schätzen, dann sunderer 16 lüten. Begärend ettlich by der satzung styfft 17 ze bliben on allen inbruch 18 . Ettlich ouch, aber mitt dem zusatz, daß ein chorgricht gwalt hab, nach billicheit und gstalt der sachen 19 ze urteilen. Hoc quoque perpende et scribe sententiam tuam fulciasque argumentis, quibus potes 20 . Non dubito Megandrum Leoni etiam scripsisse 21 .

Vale; nulla alia sunt apud nos nova.

Ultima novembris.

Tuus B. H.

[Adresse auf der Rückseite:] Docto iuxtaque pio Heinrico Bullingero, suo fratri semper charissimo.