[2319]
Autograph: St. Gallen Kantonsbibliothek (Vadiana), Ms 35 (VBS VI), 94 (Siegelabdruck) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW I 405f, Nr. 1236
Neujahrswünsche. —Auch wenn die Nachricht von der Gefangennahme des Landgrafen [Philipp
von Hessen]falsch war, befürchtet Bullinger doch Schlimmeres. Denn [Herzog HeinrichBriefe_Vol_16-064 arpa
von Braunschweig], der vor dem Kaiser [Karl V.] und den Reichsständen der schlimmsten
Untaten bezichtigt wurde, wird nun durch die angeborene Milde der Fürsten geschont. In der
Vergangenheit warf man dem Kaiser vor, den Übeltäter geduldet zu haben. Nun aber verschaffen
sich [Herzog Moritz von] Sachsen und [Herzog Erich II. von Braunschweig]-Lüneburg
einen guten Ruf weil sie sich für den Verbrecher einsetzen. — Pensionenempfänger
wurden den Zürchern ausgeliefert, woraufhin sich die Berner und andere für sie einsetzten, so
dass man sie schonte. Bald aber wird Zürich den Pensionenempfängern, durch deren Hand ihr
Gegner Zwingli starb, ausgeliefert sein. Das gleiche Schicksal steht auch anderen bevor.
— Der Marchese [Alfonso d'Avalos] hat [den eidgenössischen Gesandten] eine für ihn selbst
vorteilhafte schriftliche Antwort gegeben und sich zudem hochmütig benommen. Erst an der
künftigen, noch nicht festgesetzten Tagsatzung wird beschlossen, ob man darauf eingeht. Blarer
wird sicherlich vom Komplott gegen Turin gehört haben. Kriegsleute sind aus dem Piemont
[zurückgekommen]. Die Berner haben 1'000 Mann in Richtung Genf entsandt. Sie wollten
auch, dass die Eidgenossen 5'000 Mann aufbieten, doch spricht man nicht mehr davon. —Die
[Zürcher]verfahren wie bisher mit Kriegsleuten: Hauptleute, Anwerber und Soldgeber dürfen
unter Androhung der Todesstrafe nicht in die Stadt. Wenn Kriegsknechte an einem Kriegszug
teilnehmen, werden sie enteignet, bei ihrer Rückkehr verhaftet, und ihre Schwerter werden
beschlagnahmt. Wie schon früher wird ihnen auch jetzt bei guter Führung nach längerer Zeit
ihre Waffe wieder zurückgegeben. Es gab einen solchen Erlass kurz vor dem [24. Juni 1545].
Was also [Joachim] Mötteli [vom Rappenstein] oder andere erzählen, entspricht nicht der
Wahrheit. —Bullinger ließ den Brief an [Barbara, geb. von Ulm], die Frau [Jakob Röists],
übermitteln. Er zweifelt nicht daran, dass sich Kaiser, Papst [Paul III.] und [König Franz I.]
gegen Christus verschwören. Anbei schickt er [die Abschrift]des Briefes von [Kurfürst Johann
Friedrich I.] von Sachsen [und Landgraf Philipp von Hessen an den Rat von Straßburg]
zurück und bittet um Nachrichten über den [Schmalkaldischen] Bundestag zu Frankfurt.
—Grüße von [Rudolf] Gwalther, der beim Öffnen von Blarers Brief [HBBW XV, Nr. 2316]
zugegen war.
Praestet tibi, vir colendissime et frater in domino charissime, divina bonitas, ut hic annus tibi et universae familie inierit auspiciis felicibus, progrediatur et exeat multo felicissimus.
Licet vana sint, quae narrantur de langravii captivitate, 1 ego tamen deteriora expecto, nam coram caesare 2 et statibus sive ordinibus imperii accusarunt eum a3 rerum in orbe crudelissimarum, quem ipsis 4 in manum dedit dominus, cui pro agnata b , ut aiunt, principum clemencia parcitur. Male audiebat caesar, quod ferret adulterum, virginum constupratorem, sacrilegum, latronem, incendiarium. Iam bene audiunt clementes principes Saxo 5 et Luneburgensis 6 , qui intercesserunt pro latrone. 7
Briefe_Vol_16-065 | arpa |
---|
Tigurinis dabantur in manus pensionarii. Intercessere Bernates et alii. Parsum est illis. 8 Sed mox nostri traditi sunt in manus pensionariorum, et Zvinglius, qui singulariter illos persequebatur, 9 manu caesus est pensionarii. Manent sua fata 10 et alios.
Der marggis 11 hat ein antwort in geschrifft 12 gäben, vil glimpffs imm selbs geschöpfft 13 und gute wort gäben, sich sunst fücht gehallten 14 und hoch getragen 15 Ob die eydgnossen dran kummen 16 werdent, wirt an dem künfftigen tag kundt werden, der doch noch nitt gesetzt ist, dann min herren 17 nitt vermeint, nodt sin einen anzusetzen. 18 Wie die verrätery über Turin gangen, 19 darvon ir on zwyfel wüssend. Sind ettlich kriegslüt imm Bemond 20 xin 21 Sind kunstliche 22 warnungen beschähen, das die Berner 1000 mann zu einem fendli 23 zum zusatz 24 gen Jenff 25 uußgenommen 26 , 5000 zu einem
Briefe_Vol_16-066 | arpa |
---|
paner 27 ordnen wöllen und alle eydgnossen uffgemanet habend; ist aber widerumb ersässen 28 .
Min herren habend ire setzungen 29 unverbrochen 30 der kriegslüten halb; welche houptlüt und uffweybler 31 und gälltuußgäber blybend bim schwert 32 usset der statt; und ist kein gnad. Die gmeinen knächt sind nie usset der statt xin, das man sy bedörffen ynlassen c . Wenn sy hinlouffend 33 , nimpt man inn, was sy hand. Wenn sy widerkummend, leit 34 man sy in die türm 35 . Das ist bißhar mitt allen gebrucht. Demnach last man sy one tägen 36 gan. Da ist wol war, das man den gmeinen knächten vor Joannis Baptistae 37 d[ie]d dägen wider ze tragen erloupt hat. Wenn Mötili 38 oder ander anders sagend, so ists ze vil 39 . ||94v. Es ist ouch nitt nüw, das man inen die tagen wider erloupt, dann es ouch vornaher 40 vor 16 jaren gebrucht, wenn der gmein mann sich wol gehallten, ein zyt baß gethan und ein zyt angestanden 41 , das man inen wider die gwerr 42 erloupt. 43
Literas uxori Röystii 44 protinus afferri curavi. 45 Nil dubito, quin caesar, papa 46 , Gallus 47 et multi alii conspirent contra Christum, sed qui in coelis
Briefe_Vol_16-067 | arpa |
---|
habitat, ridebit eos 48 . Scriptum Saxonis 49 remitto et oro, ut ea, quae accipies a Francfordiensibus comitiis 50 , communices.
Vale cum omnibus tuis. Salutant te fratres omnes, imprimis Gvaltherus, qui apud me erat, cum tuas 51 resignarem.
Tiguri, circumcisionis die anno 1546.
Tuus, qui semper, totus.
[Adresse darunter:] Praestantissimo viro d. Ambrosio Blaurero, fratri semper colendo et amando. e