[2864]

Joachim Vadian
an Bullinger
St. Gallen,
28. März 1547

Autograph: Zürich StA, E II 351, 46 (Siegelspur) Druck: Vadian BW VI 609f, Nr. 1527

[1] Johann Valentin Furtmüller und Anton Zili 1 informieren Bullinger, dass der ehemalige Pfarrer von Gais [Balthasar Buol], ein großer Schwätzer, den man entließ, weil er sich täglich im Wirtshaus betrank und von dort nach Hause geführt oder getragen werden musste, nun in Kesswil (Thurgau) als Prädikant angenommen wurde. Daher bitten sie Bullinger inständig, dessen Entlassung bei dem [aus Zürich stammenden] Thurgauer Landvogt [Leonhard Holzhalb] zu bewirken, damit jener auf die andere Seite des [Boden]sees (woher er kam) zurückgeschickt werde! Er gehört dem St. Galler Kapitel an, wo er allen Kollegen lästig fällt. 2 Bestimmt gibt es in Konstanz fromme Pfarrer, die der Pfarrei Kesswil und auch anderen Kirchgemeinden gut dienen könnten. [2]Die gute Nachricht, die Bullinger übermitteln ließ, 3 wurde mit Freude empfangen. Möge die Gottlosigkeit endlich besiegt werden und es nicht zu einer unerhörten Tyrannei kommen! In einem Brief aus Nürnberg, der gestern eintraf stand, dass nach der Niederlage des Herzogs Moritz von Sachsen bei Rochlitz dieser noch woanders 4 vom Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen besiegt wurde und einen Verlust von 8000 Mann hinnehmen musste. Auch [das Bistum]Bamberg soll von Truppen des Kurfürsten besetzt

24 Zu der am 28. März begonnenen Tagsatzung von Baden s. Nr. 2862, Anm. 58.
23 Auch.
26 Vermutlich ist hier von einer Söldneranwerbung für Kaiser Karl V. die Rede; vgl. EA IV/1d 798 g.
27 endlich.
1 Anton Zili, von St. Gallen, geb. 13. Februar 1494, gest. 29. März 1571, der seit 1542 Pfarrer an der St. Laurenzen-Kirche in St. Gallen war, während Furtmüller im gleichen Jahr zum Prediger der gleichen Kirche ernannt wurde. Von 1554 bis 1563 war Zili Präsident der St. Galler Synode. Seine Bibliothek ging nach seinem Tode an die Stadt über; s. Pf-St. Gallen 25f.
2 Balthasar Buol aus dem Prättigau, ab 1546 Pfarrer in Gais (Kt. Appenzell Außerrhoden); s. Johann Caspar Zellweger, Geschichte des Appenzellischen Volkes, Bd. 3/2, Trogen 1840, S. 336f; Pf-Appenzell' 86, wo die Vermutung, dass Buol vielleicht nicht bis 1550 in Gais amtete, aufgrund des vorliegenden Briefes nun als sicher gelten kann: Buol wird bereits vor März 1547 entlassen worden sein. Wie lange er in der am Bodensee gelegenen Gemeinde Kesswil (Bezirk Arbon, Kt. Thurgau) tätig blieb, ist unbekannt. Aus vorliegendem Brief geht hervor, dass er vor 1546 in Deutschland gewirkt hatte. Näheres ließ sich nicht ermitteln.
3 Mit Nr. 2857.
4 Ein falsches Gerücht.


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Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung
Briefe_Vol_19-458arpa

worden sein. 5 Zweifelsohne ziehen die Franken den Kurfürsten Kaiser Karl V. vor, und wird der mit guten Truppen versehene Kurfürst den Kaiser angreifen, egal, wie groß dessen Heer sein mag. [3] Vadian wird weiterhin Neuigkeiten übermitteln, und Bullinger soll nach der Badener Tagsatzung 6 ausführlich mitteilen, was er von Johannes Haab darüber in Erfahrung bringen konnte, da die St. Galler keinen Gesandten in Baden haben werden. Die letzten Aufzeichnungen Bullingers zur vorhergehenden Tagsatzung 7 wurden von den Ratsherren, denen Vadian 8 sie vorlas, sehr geschätzt. [4]Gruß.