[460]

[Nikolaus Steiner] an
[die Synode in Zürich]
[Zürich],
[vor 20. Oktober 1534] 4

Kanzleiabschrift a : Zürich StA, E II 1, 153-155 Ungedruckt

Steiner versichert, treu zum Evangelium zu stehen. Er hat sich vor der Synodalkommission vergeblich gegen zwei Vorwürfe wegen Pfrundlaufens zu rechtfertigen versucht. Felix Brennwald [der Amtmann des Abtes von Einsiedeln im Kloster Fahr] ist bereit, als Zeuge für ihn auszusagen. Er, Steiner, habe nur versucht, mit Hilfe des Abtes, der ihm von früher her verpflichtet war, Brennwalds und der Räte in Zürich das Pfarramt Weiningen zu erhalten, da er - trotz seiner Verdienste für Zürich und die Kirche - Not gelitten und von niemandem habe Hilfe erwarten können. In der Sache sei dann aber nichts unternommen

erneut darüber, daß die Altäre noch in der Kirche stünden (s. Zürich StA, E II 1, 249r.).
a Die Kopie ist von einem obrigkeitlichen Schreiber angefertigt worden; dieselbe Hand s. unten Nr. 461.
1 Zur Autorschaft s. Anm. e. - Nikolaus Steiner, von Glarus, geb. um 1475 (vgl. auch unten Anm. 33), gest. 1536. Steiner immatrikulierte sich im Jahre 1495 an der Universität Freiburg i. Br. 1496 trat er in den Kirchendienst (s. unten Z. 41). 1504 wurde er Kaplan in Kilchberg (Kt. Zürich). In Buch am Irchel, wo er von 1512 an tätig war, zerstritt er sich mit Kollator und Gemeinde, ohne daß Zürichs Vermittlungsbemühungen gefruchtet hätten. Nach seiner Rückkehr vom «Piacenzerzug» 1521, den er als Kaplan mitgemacht hatte, übernahm er, im Tausch mit Johannes Kaufmann, die Pfarrei Mönthal bei Brugg (Kt. Aargau). 1526 erscheint Steiner als Pfarrer von Wetzikon. Streitigkeiten und Rechtshändel trübten aber sehr bald auch sein Verhältnis zu dieser Kirchgemeinde (s. Felix Meier, Geschichte der Gemeinde Wetzikon, Zürich 1881, S. 317-320. 377-379), sodaß er 1529 die Stelle verlor. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Kappelerkrieges wurde er als Nachfolger von Matthias Bodmer in Bünzen (Kt. Aargau) eingesetzt (vgl. Zürich StA, E II 1, 70 und Pfarrerbuch 205). Dort verlor er Hab und Gut, als die katholischen Truppen ins Freiamt einrückten (s. unten Anm. 30). Dieser Verlust ist von
Steiner in seinen Rechtfertigungen gegenüber Rat und Synode immer wieder hervorgehoben worden (s. Zürich StA, E II 1, 70. 125. I 53). Er wurde daraufhin in die Dienste des Großmünsterstiftes genommen und versah das Predigtamt in der Filialkirche Schwamendingen. Im Frühjahr 1534 wurde er wegen eines Verstoßes gegen die Synodalordnung (wegen Pfrundlaufens) seines Amtes enthoben. Nach seiner Wiederaufnahme in die Synode im Herbst desselben Jahres (s. unten Anm. 72) wurde er als Nachfolger des eben in jener Zeit abgesetzten Konrad Lüthard (s. oben S. 149, Anm. 4) Pfarrer in Rüti. In einem Brief an Bullinger (Zürich StA, E II 441, 54) beschrieb er im Februar 1535 seine schwierige Stellung in Rüti. Er starb am 19. März 1536 (s. Johannes Stumpf an Bullinger, 26. März 1536; Zürich StA, E II 340, 74). Weitere Briefe zwischen Bullinger und Steiner liegen nicht vor. - Lit.: Z VI/III 320-323 (mit weiterer Lit.); Pfarrerbuch 546; HBLS VI 534; Freiburg, Matrikel I/I 121.
2 Steiner wandte sich mit seiner Bittschrift - auf die Empfehlung des Rates hin (s. Z. 96-100 und Anm. 72) - an die Synode allein.
3 Steiner, der bis zu seiner Absetzung auf der Mai-Synode 1534 vom Großmünsterstift angestellt war, wohnte in Zürich (s. unten S. 366, 24), in seinem «Häuschen» in Stadelhofen (s. Zürich StA, E II 1, 146).
4 Bullinger erwähnt im Protokoll der Herbstsynode, Steiner habe eine «lange Supplikation» eingereicht und um Begnadigung


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Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung
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worden. Die zweite Anklage habe ihm vorgeworfen, er hätte versucht, illegal die Pfarrei Wädenswil von Konrad Müppein zu erwerben; dazu verweist er auf Müppeins Brief [Nr. 461]. Daß er vom Rat, auf Antrag der Synode, ausgeschlossen und vom Predigtamt in Schwamendingen abgesetzt wurde, empfindet er als harte und ungerechte Strafe. Dieses Urteil würde, wenn es in Kraft bliebe, ihn an den Bettelstab bringen. Er hat den Rat um Gnade gebeten, sei von diesem aber an die Synode gewiesen worden mit der Zusicherung, daß deren Urteil respektiert würde. Steiner bittet nun die Synode, ihm zu verzeihen und ihn wieder aufzunehmen.

Eerenvesten, frommen, wysen, gnedig herren, hochgelerte, göttliche vätter unnd brüder.

Nachdem mich gott berüfft hat von der finsternus zu sinem liecht der warheyt 5 , so bin ich ylentz uffgestannden unnd dem nachzogen unnd die hand an pflug geleyt unnd niemermer hindersich gesechen 6 , innmitten der trübsal hindenab von gott nie gefallen, sonnder als eyn gethrüwer knecht bestanden 7 by sinem herren unnd fürohin bis an min end allso mich gott lassen finden unnd wirt mich nieman von siner hand ryssen 8 . So hat gott unns gemanet: «Welcher staadt, luge 9 , das er nit falle» [1 Kor 10, 12]. So mag 10 one gottes krafft nieman ston, alsdann manchen ußerwelten gott hat lasßen fallen unnd wider uffgericht.

Allso wie dann eyn statutum synodale zugipt 11 , das nieman sich selbs zu eynem bischoflichen ammpt erwellen oder inflechten 12 sölle 13 - dann eyn bischoff erwelt soll werden uß göttlichem willen mit hilff unnd gunst des gemeynen volcks, der kilchen unnd verwilgung der necheren 14 byschoffen 15 , damit der zorn gottes nit über unns komme; als dann durch den propheten geredt wirt: «Sy hand inen selbs eyn künig gesetzt, unnd nit uß minem befelch» [Hos 8, 4] - so bin ich anclagt von üweren verordneten 16 , wie ich wider söllich b göttlich ordnung gehandlet habe, unnd mir zwen artigkel

b söllich für gestrichenes frommclich am Rande nachgetragen.
gebeten (s. ebenda, 184). Steiner muß demnach seine Bittschrift (kurz) vor dem 20. Oktober 1534 abgefaßt haben.
5 1 petr 2, 9; vgl. 1 Joh 1, 6. 7.
6 Lk 9, 62.
7 beharrt, standgehalten (SI XI 703f).
8 s. Joh 10, 28. 29.
9 sehe [zu] (s. SI III 1221f).
10 kann.
11 als Bestimmung enthält (SI II 95).
12 sich aufdrängen (vgl. SI l 1166).
13 In der am 22. Oktober/6. November 1532 erlassenen Kirchenordnung (Prädikanten- und Synodalordnung) war das sog. Pfrundlaufen, d. h. das eigenmächtige Werben um freiwerdende oder freie Pfarrpfründen, verboten worden. Das Verfahren für die Wahl und Einsetzung eines Pfarrers war ganz der obrigkeitlichen
und kirchlichen Kontrolle unterstellt. Siehe AZürcherRef 1899, S. 827f.
14 näheren (örtlich). - Vgl. die folgende Anm.
15 Steiner meint hier die Einsetzung des Pfarrers ins Pfarramt und nicht die Wahl (die vom Rat auf Vorschlag der Examinatoren oder des nichtzürcherischen Lehensherrn vorgenommen wurde). Die Kirchenordnung sah vor, daß die Einsetzung von einem Vertreter des Rates, vom zuständigen Dekan und vom Pfarrer der nächstgelegenen Kirchgemeinde vollzogen werde, wobei der Ratsvertreter die versammelte Gemeinde vorerst nach möglichen Einwänden und Klagen zu befragen hatte. Siehe AZürcherRef 1899, S. 827f.
16 Konrad Escher, Itelhans Thumysen, Christoph Klauser, Heinrich Bullinger und Leo Jud (s. Zürich StA, E II 1, 125).


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17 fürgehalten, daruff ich die waarheyt verjechen 18 han unnd geanndtwurt.

Aber miner red ist keynen glouben geben 19 . So kan ichs nit hoch achten 20 , dann in eygner sach kan eyner im selbs nit züggnus geben, dann eyn yetlicher gunt im selbs 21 unnd redt nüt schedlichs wider sich, als das der herr selbs redt: «Gib ich mir selber zückniß, so ist es nüt, aber anndere gebent mir zügknus» [Joh 5, 31f] etc. Nun uff söllichs so han ich minen lieben gefatter C 22 unnd guten fründ 23 , nammlich Felix Brenwalden 24 , gebetten, üwer würdi zuberichten, was ich an in bracht unnd begert han, mit sinem mund unnd hand 25 . Das hatt er nit wellen thun von wegen siner kranckheyt, ouch von üch nie erfordret. Unnd so 26 ir mir nit gloubend, so 27 gebent ir sinem schryben ouch keyn glouben. So aber ir die warheyt an im suchen 28 , so will er sy nit verhalten unnd redt eben die meynung. Unnd ist allso, wie ich gesechen han, das ich bißhar von aller mentschlicher hillf, radt

c lieben gefatter korrigiert aus gfatter, lieben.
17 Steiner war auf der Synode vom 5. Mai 1534 zweier Pfrundlaufvergehen bezichtigt worden: 1. Er habe bei Felix Brennwald, dem Amtmann des Abtes von Einsiedeln im Kloster Fahr (Kt. Aargau), um die Pfarrei Weiningen, deren Patronat im Besitze des Klosters war, geworben. 2. Laut Aussage von Jakob Hegner und anderen Zeugen habe er Konrad Müppein sein Häuschen in Stadelhofen als Wohnsitz versprochen, wenn ihm dieser dafür die Pfarrei Wädenswil überlasse. Da Steiner nicht anwesend war, wurde eine Kommission (s. oben Anm. 16) eingesetzt, die Steiner verhören sollte (s. Zürich StA, E II 1, 145f).
18 ausgesagt (SI III 6).
19 Steiner wurde auf Antrag der Kommission vom Rat seines Amtes enthoben (s. Zürich StA, E II 1, 126).
20 nicht schwer nehmen (s. SI II 973).
21 begünstigt sich selbst (vgl. Sl lI 332f).
22 Taufpate eines seiner Kinder oder Vater eines Kindes, dem Steiner Taufpate war (s. SI I 1128).
23 Verwandter oder [hier wahrscheinlich] Freund (SI I 1303f).
24 Felix Brennwald, von Zürich, Goldschmied, gest. 1536, war der Sohn von Bürgermeister Felix Brennwald und der Bruder von Heinrich, dem Propst zu Embrach. Er kam 1511 als Zwölfer der Saffranzunft in den Großen Rat, war Fähnrich auf dem Zug nach Dijon 1513 und wurde bei Marignano 1515 schwer verwundet. Im Jahre 1517 (s. Schnyder, Ratslisten 291) kam Brennwald in den Kleinen Rat,
wurde 1518 Landvogt in der eidgenössischen Herrschaft Sargans und 1520 Stiftshauptmann in St. Gallen. Er bekleidete Obervogtämter in Höngg und Wiedikon und war 1516-1517 und 1524/25-1526 Rechnungsabnehmer der Säckelmeister. Brennwald war ein Gegner der Reformation (s. auch Jacob 109); er mußte 1526 aus der Stadt flüchten, kehrte aber 1527 zurück und wurde in einem Verfahren von der Anklage, unrechtmäßig Pensionen bezogen zu haben, freigesprochen (s. Georg Gerig, Reisläufer und Pensionenherren in Zürich 1519-1532. Ein Beitrag zur Kenntnis der Kräfte, welche der Reformation widerstrebten, Zürich 1947. - Schweizer Studien zur Geschichtswissenschaft 12, S. 62f). Im Jahre 1530 trat Brennwald aus dem Rat zurück. Noch im selben Jahr wurde er von Ludwig II. Blarer, dem Abt zu Einsiedeln, zum Amtmann des Klosters Fahr ernannt; in diesem Amt dürfte er bis 1535 geblieben sein, denn ab 1535 wirkte dort Wolfgang Blarer, der Sohn des Abtes (s. Urs Reber, Die rechtlichen Beziehungen zwischen Fahr und Einsiedeln. Zugleich eine Studie zur Geschichte der inneren Verfassung eines Tochterklosters. Diss. jur. Zürich 1973, S. 122f). - Lit.: Heinrich Brennwalds Schweizerchronik, Bd. II, hg. von Rudolf Luginbühl, Basel 1910. - QSG I/2, S. 589f; Z VIII 771, Anm. 1. 778, Anm. 2; HBLS II 351; Fabian, Geheime Räte 508.
25 nach Kräften (vgl. Grimm VI 2676).
26 wenn (SI VII 28).
27 dann (SI VII 29).
28 eine Aussage von ihm verlangt (vgl. SI VII 216f).


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unnd trost verlassen bin, unnd das zechen jar 29 lang, unnd umb des vatterlands unnd voran gottes eer willen umb all min hab unnd gut kommen bin 30 , das nit kleyn ist, unnd die vergangnen drü jar loblich unnd eerlich eyner gstifft 31 gedienet hab umb 12 guldin uff hoffnung der gnaden, unnd aber keyn gnad nienen gespürt han, sonnder verschupft 32 unnd verworfen bin, unnd aber so vyl jar unnd tag uff mir han 33 , das ich zu keyner arbeyt mee gschickt 34 unnd vermüglich 35 bin, dann ich gar nach 36 der eltest predicant bin unnd dryßig unnd acht jar eerlich der kilchen gedienet han unnd mir keyn negligentz noch versumnus nie fürgehalten, so han ich nun rechtbrief unnd sigel an eynen herren von Eynsidlen 37 durch sin amptman 38 wellen lassen erfordren. Darumb 39 ich unnd mine forderen 40 getrüwlich gedienet haben inn minen jungen tagen, darumb 41 mir eyn zusag 42 beschechen ist, so ich mangel haben wurde unnd mit eyner pfrund nit versächen were, das dan ich vom gotshus solte versechen 43 werden oder des herren tisch han 44 . Unnd so mir Wynigen 45 gelichen wurde, so welte ich miner ansprach vernügt sin. Ich verhofte ouch, mine gnedigen herren 46 wurdent mir darzu helffen unnd radten, unnd hinder 47 der rechten kilchen, one gunst unnd willen 48 üi 49 wellen handlen. Das dann ich dem Brenwalden befolchen, dem apt fürzeträgen. Das hatt er nit gethan unnd ist der sach 154 || nie gedacht 50 . Ich welte vyl lieber, ich wurde sunst versächen 51 wie annder unnd min fylfaltig lyden unnd alter inn gutem bedacht unnd mine redliche trüw, die ich der kilchen bewyßt han, mit flyß ermessen etc.
29 Steiner meint wohl die Jahre zwischen 1521 (Verlust der Pfarrei Buch am Irchel nach heftigen Streitigkeiten mit der Kirchgemeinde) und 1531 (Verlust der Pfarrei Bünzen); dazwischen hatte er sich mit Provisorien und zahlreichen Widrigkeiten herumschlagen müssen. Siehe Z VI/III 320-322 und oben Anm. 1.
30 Steiner verlor seine Habe als Pfarrer in Bünzen (s. Zürich StA, E II 1, 70), das er vor den anrückenden Truppen der V Orte fluchtartig verlassen mußte. Die katholischen Truppen richteten besonders in den verlassenen Häusern der reformierten Pfarrer große Zerstörungen an (s. Emil Schultz, Reformation und Gegenreformation in den Freien-Ämtern, Diss. phil. Basel, Zürich 1899, S. 90).
31 dem Großmünsterstift. - In der (untergeordneten) Stellung eines Diakons oder Helfers (s. AZürcherRef 1988, S. 875) betreute er die Filialkirche Schwamendingen (s. auch unten Z. 65f).
32 verstoßen, beiseite gesetzt (SI VIII 1084-1088).
33 Wenn das Geburtsjahr «um 1475» (s. oben Anm. 1) richtig ist, dann wäre Steiner erst 59 Jahre alt gewesen. Vielleicht
muß das Geburtsdatum um einige Jahre früher angesetzt werden.
34 im Stande, fähig (SI VIII 513).
35 im Stande (SI IV 111).
36 beinahe (SI VI 636).
37 Ludwig II. Blarer.
38 Felix Brennwald.
39 weil (Grimm II 802).
40 Vorfahren, Voreltern (SI I 997).
41 deshalb (Grimm II 801).
42 Versprechen, Zusicherung (SI VII 419).
43 mit einer Pfarrpfrund versehen.
44 vom Abt verköstigt werden (vgl. SI XIII 1909-1912).
45 Da das Kloster Fahr das Patronat der Kirche von Weiningen (Kt. Zürich) besaß (s. HBLS III 104), war der Abt von Einsiedeln Kollator.
46 Der Rat von Zürich oder auch einzelne Ratsmitglieder (s. auch unten S. 366, 27-30 und Anm. 20).
47 hinter dem Rücken (SI II 1414).
48 Erlaubnis (SI II 377).
49 nichts.
50 die Sache nie erwähnt worden (s. SI XIII 669f).
51 mit einer Pfarrpfrund versehen.


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Zu dem annderen, wie ich sölle gelouffen sin zu Meyster Curadt Müdbeyn 52 gan Wädischweyl 53 unnd im sin pfrund wellen abkouffen unnd ettliche specher 54 nahin geloufen unnd söllichs von mir ußgeben. Wolan, mir were wol nodt, ettwas darzu zereden. Das will ich umb liebe unnd fridens willen verschwygen, daruff ich keyn anndtwort gib. Hörent sin anndtwurt hie geschriben 55 . Mir mag doch min pfrund nit belyben, die ich iusto titulo han überkommen 56 unnd brief und sigel darumb han, darumb 57 ich keyn koufman bin. Wirdigen unnd gnedigen herren, uff sölliche thatt unnd übertrettung hand mine gnedigen herren mit recht unnd urtheyl, uff anrüffen der predicanten, mich beroubet unnd entsetzt mins prophetißen ammpts unnd diensts der pfrund Schwamendigen 58 , das doch mir das gröst leyd ist unnd straaff, das mir mag begegnen 59 . Deß diensts halb hette es nit nodt 60 , dann niemand uß sinem gut reysen soll, aber deß ammpts halb, das ich mit söllicher grosser müg, arbeyt, armut unnd ellend unnd mit dem schweyß mines vatters überkommen han, von der wyegen uff darzu erzogen bin unnd also verwürckt soll han unnd gott, der cristenlichen kilchen, ouch mir selbs on nutz sin unnd all min zytliche eer, glück unnd naarung darinn staat. Darzu, so man die straaf ansicht, so muß ich von allen frommen verdacht 61 sin als eyn lasterhaftiger übelthäter. Das erwege eyn yetlicher inn sinem hertzen. An sit dolor similis etc. 62

Unnd so söllicher sententz 63 nit solte revociert werden (als ich doch nit trüw 64 ), so welte ich vyl lieber noch eyn krieg erlyden, da ich zu dem dritten maal beroubet 65 bin d . Ja lieber den tod erlyden unnd mit Paulo zu gott rüffen: «Wer thut mir uff den lyb, das ich mit gott läbe» [Phil 1, 23], ouch mit dem Jerimia reeden: «Verflucht syg der man, der minem vatter das bottenbrot 66 bracht het, das im eyn sun geboren syge» [Jer 20, 15]. Mir wäre lieber, ich were an der geburt umbkommen oder in muterlyb verdorben, weder 67 inn sölliche schmach ergeben (si res sic se habet). So mag nüt annders darnach folgen, dann das ich min vatterland muß myden, das ich zu dem sibenden maal mit minem blut han helffen schirmen 68 , unnd eyn eerliche,

d bin darüber nachgetragen.
52 Konrad Müppein.
53 Wädenswil (Kt. Zürich).
54 Späher, Aufpasser (SI X 79f).
55 Unten Nr. 461.
56 bekommen.
57 weil.
58 Als die von der Frühjahrssynode bestellte Kommission (s. oben Anm. 17) Steiner verhört hatte, erstattete sie dem Rat Bericht mit der Empfehlung auf Absetzung (s. Zürich StA, E II 1, 124f). Der Rat enthob daraufhin Steiner seines Amtes (s. ebenda 126).
59 Steiner unterschied hier zwischen «Dienst» als Anstellung (s. SI XIII 756) und «Amt» als Aufgabe, bzw. Beruf (s. SI I 242), wobei ihn - wie das Folgende ergibt - das Berufsverbot weit härter traf als
der Verlust der Predigerstelle in Schwamendingen.
60 wäre es nicht belastend (s. SI IV 855).
61 verdächtigt (SI XIII 663).
62 Vgl. Klgl 1, 12.
63 Gemeint ist das Absetzungsurteil des Rates (s. oben Anm. 58).
64 womit ich nicht rechne (s. SI XIV 1589).
65 Durch welchen Schicksalsschlag Steiner zum ersten Mal Hab und Gut verlor, ist nicht bekannt; das zweite Mal geschah dies in Bünzen (s. oben Anm. 30).
66 die (frohe) Nachricht (SI V 979).
67 als.
68 Von den Kriegsereignissen, in die Steiner verwickelt war, ist nur der «Piacenzerzug» 1521 (s. oben Anm. 1) und der Zweite Kappelerkrieg bekannt. Vermutlich hat er an weiteren Kriegszügen der Eidgenossen teilgenommen.


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fromme frowen mit den kinden 69 verlassen unnd den bättelsack an hals nemmen unnd in das ewig ellend gan. Das statt mir daruff 70 . Man hat sunst arbeytseliger 71 lüten gnug etc.

Darumb so han ich in min alten tagen, damit unnd ich nit erst allso geschmecht unnd geschent wurde, mine gnedigen herren umb barmhertzigkeyth gebetten 72 , da nun nit mangel ist. Die will söllich ordnung unnd satzung zu unnsern zyten 73 nit im bruch sind gesin unnd nüwlich von gott angefangen, so will gott durch mich sinen punt unnd leges uffrichten unnd die kilch reformieren, unnd mich zu dem hund verordnet, der dem löwen vor soll geschlagen werden 74 unnd das , heyligthumb bin, an dem er anfachen will straafen 75 , so das, will ichs umb siner eeren willen dulden. Uff das min gnedig herren mich also inn der straaff byßhar hand lassen stan unnd für üch ze keeren befolchen; was gnaden unnd gutes ich by üch find, das wend min gnedigen herren mir nit abschlachen 76 . Ich hoff, ouch ir habind inen daran wol gedienet etc. ||155 Herumb 77 so erman ich üch göttlicher barmhertzigkeyth, diewyl unnd ir genent werdend sün des oberisten gotts unnd vatters 78 . Das ir das an mir bezügint, das ist gnad unnd barmhertzigkeyth; darby erkent man sine kinder, namlich die sin werch thünd etc. 79 .

Zum dritten, so erman ich üch cristenlicher liebe, die da ist eyn band aller folckommenheyt 80 , die staadt 81 so , eyner treyt die schwachhevt sines nechsten, verzicht dem schuldigen unnd nit raach sucht umb siner übelthatt willen etc. 82 Unnd ansechen 83 die grossen schäden, so ich erlitten han an eer, lyb unnd gutt, ouch die trüw, so ich bewisen hab inn gottes wort unnd allen sinen dieneren, unnd die usserlich süsse des evangelions keyn tropfen nie versucht han, aber yense 84 überflüssig 85 , besonnder allweg uß dem kelch unnd bächer des herren Jeramie unnd Esaie 86 , da mir folkommene maaß ingeschenckt ist, getruncken han etc. So ist gott nit ewig erzürnt, sonnder nachlessig 87 allen denen, die in bittend. Also bit ich üch gemeynlich jetlichen

69 Über Steiners Familienverhältnisse ist weiter nichts bekannt.
70 ich hätte zu gewärtigen (SI XI 533).
71 geplagte, arme (SI I 424).
72 Laut Bullingers Angaben im Synodalprotokoll hatte sich Steiner nach seiner Absetzung bei Bullinger und Jud beschwert und erreicht, daß der Rat auf die Angelegenheit zurückkam; die Räte bestätigten jedoch das Urteil und verwiesen Steiner wieder an die Synode (s. Zürich StA, E II 1, 126). Steiner hatte mit dem vorliegenden Bittbrief Erfolg, denn die Synode vom 20. Oktober 1534 begnadigte ihn und nahm ihn wieder auf (s. ebenda 184), ja er erhielt sogar wieder eine Pfarrei, nämlich Rüti (s. oben Anm. 1).
73 d. h. vor der Reformation.
74 Nach Wander II 883 hat die Redensart: «Den Hund vor dem Löwen schlagen» die Bedeutung: Einen Schwächeren in
Gegenwart eines Mächtigen bestrafen, damit dieser sich eine Lehre daraus ziehe.
75 s. Ez 9, 6.
76 Zum endgültigen Urteil des Rates s. oben Anm. 72.
77 Darum, deswegen (SI I 228).
78 vgl. Röm 8, 14 u. a.
79 Vgl. 1 Joh 3, 1. 10.
80 Kol 3, 14.
81 wie es heißt (vgl. SI XI 528).
82 Vgl. u. a. Kol 3, 12f. Mt 6, 14. Eph 4, 32.
83 berücksichtigen, bedenken (s. SI VII 554f).
84 jenes (SI III 45).
85 übermäßig, reichlich (SI I 1218f).
86 Steiner stellt dem evangelischen Liebesgebot den Kelch des Grimms (Jes 51, 17) und den Becher des Zorns (Jer 25, 15) des strafenden Gottes gegenüber.
87 nachsichtig (SI III 1416).


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innsunders, mir umb gottes willen verzychen unnd vergeben, wie ir wend, das gott üch vergebe, unnd mir wider zustellen min ammpt, damit ich gott unnd der cristenlichen kilchen dienen möge nach dem befelch gottes. Dann so will ich mich baß umsechen fürhin 88 unnd wachbarer sin über gottes wort unnd ordnung. So nutzt mich eyn ammpt nüt, wenn ichs nit zebruchen han, darumb ir gemeynlich bitten, mine gnedigen herren, mich inn gnaden zu bedencken unnd myne alten tag versechen unnd an minen trübsälen vernügt sin. Das will ich umb gott unnd yetlichen 89 beschulden . Hiemit befilch ich üch gott unnd sinen gnaden etc.

[Ohne Unterschrift] e