[539]
Peter Schnyder an
Bullinger
Laufen,
28. Februar 1535
Autograph: Zürich StA, E II 355, 66r.-67r. (Siegelspur)
Teildruck: QGTS II 78fLeute aus der Gemeinde Dörflingen berichten ihm, daß nellenburgisch-österreichische Bewaffnete
ihr Dorf überfallen und sieben Bewohner als mutmaßliche Täufer nach Stockach verschleppt
hätten; die Aktion richtet sich jedoch gegen die Reformation. Die Dörflinger beklagen,
daß sie von Zürich bei der Durchsetzung der Reformation - besonders während der Amtszeit
des Obervogtes [Jakob] Günthard - zu wenig unterstützt worden seien; sie möchten nun, daß
ihnen die bei Büsingen gelegene reformierte Kirche "Kirchberg" zugewiesen wird. Bittet
Bullinger, ihre Sache zu unterstützen.
Der guötig unnd gnedig, barmhertzig, ewig gott verlich unns allen sinen segen
durch Jesum Christum, unseren herren.
Geträwter. lieber herr unnd bruoder, ich bin angelangt, üch disen handel
zuozeschriben von etlichen guotwilligen unsers halgen gluobes, die in disem
handel verfast 1 , damit ir euch erlernen mögind, wie mit götlicher hilff unnd
bystand unserer christelicher herren und oberen der gemey[n]d dis thayls 2
zehilff komen möge. Dem ist also: An unseren anstössen 3 yennethalb des
Rhins ligt ein dorff mit namen Dörfflingen, ligt in der herschaft Neuenburg 4 ,
da die herschafft hatt die oberen gricht unnd unsere herren die nideren. Da
sind nun die Dörfflinger kilchörig gen Gaylingen
5 , da nider und höhe gericht
sind der herschafft von Stockach
6 , der kilchensatz der statt Schaffhusen. Wie
nun die biderben lüt von Dörfflingen gen Diessenhoffen
7 , gen Buössingen
8 ,
gen Schaffhusen dem göttlichen wortt
9 nachgeloffen sidert fünff oder sechs
jaren har unnd sich also irer pffar zuo Gaylingen, als der irsel 10 unnd abgötterey,
enzigen 11 unnd sich gottes unnd irer christelichen herren von Zurich getröst 12
, dem statt a thuon, also von mencklichem ungefecht unnd unangerenzt
13
pliben unnd von nymot b rechtgeferget ires gluobes halb. Nun habend sich die
von Stockach vor etlichen tagen uffgehept unnd die verdachten im handel gottes,
die sy unnd mit der unwarhait thuöffer verlündent, understanden ze fahen,
unnd aber uff dem weg im wasser, die Aych
14 genant, by nachtzitt gesumpt
unnd etlich rüter nahinzuo ertruncken; deßhalb sy verursacht, wider haim gekert 15
. Yetz aber uff donstag verschinen
16 , nach mittnacht, ingefallen mit
zwayhundert mannen ungefarlich, von Stockach komen gen Dörfflingen, 7
personen jemerlich überfallen, ir hus unnd hoff zerstossen, gefencklichen angenomen,
win unnd brott gessen unnd getruncken, sy ellendklich hin unnd
enweg durch studen und stöck gefuöret und gen Stockach gelegt, da etlich
enttrunnen, jamerlich mit inen gehandlet, den schwangeren wiberen nit d verschont
unnd etwo
17 wit gefuört unnd lassen gon e , und inen eynen ruoff machend,
sy segind thuöffer
18 . Die sy worlich, lieber herr unnd bruoder, nit sind,
unnd kein ander ansprach
19 entlich f , dan das sy nitt mit irer falscher religion,
die sy zuo Gaylingen tribend in ir pffar, gemaynschafft nit g haben wend unnd
sich tröstend gottes worts, so sy erlernet hond an den obgenannten orten
20 ,
unnd irer christelicher herren unnd oberen zuo ||66v. Zürich, mitt denen sy eyns
im handel gottes begertend sin, ye welten har lieb unnd leyd mitt inen gelitten,
ir jerlich schirmgeltt unnd h korn gebend, im Missner krieg
21 unnd Kappeler
krieg, sunderlich uff dem berg
22 , trulich umb gottes unnd unserer herren ere
gestanden etc.
Unnd aber noch thalenme 23 jar und tag darby 24 nit geschirmpt sind worden.
Unnd nochmals, das sy, lieber herr unnd bruoder, unnseren herren nit zuozellend 25
, sunder etlichen ober- und undervögten, namlich 26 dem Gunttharten 27
unnd irem undervogt 28 zuo Dörfflingen, der nachmals zuo der pffar zuo der
meß gen Gaylingen gattin der farb wyß unnd plaw i , so im gebend unser herren.
So ein obervogt sy etman 29 haimsuochte 30 oder mitt dem undervogt gerett,
besser sorg ze haben, die schwezer, redlifuörer, so der meß unnd denen
von Stockach anhangend, abzemanen, wurde under den frommen lüten dester
mer ruowen wachsen. Dann, min bruoder, die fromen k lüt ligend dussen, yennet
dem Rhin, als ob sy niymoz 31 seyind. Nun aber, min her unnd bruoder, ligt
nach 32 by Dörfflingen ein l pfarrkilch, Kilckberg m33 genant oder Buössingen n ;
da sind die hohen gericht wie zuo Dörfflingen deren von Stockach, die nideren
deren von Schaffhusen, wie die nideren gericht zuo Dörfflingen minen
herren zuohörend. Da hand die Schaffhuser die kilchen gesuberet von gözen
und altaria, kein meß da, unnd land frey das götlich wortt da verkünden, unmencklichs 34
sumen 35 unnd hinderen. Unnd umb der gelegenhait begertind die
fromen lütt, das unser herren si dahin ordnetend, diewill Schafthuser unnd
unnser herren im gluoben eyns sind. Ouch Buoch 36 , ein dorff, ligt witer im
Hegaw, gehörtt aber ouch o wie Dorfflingen in die pffar gon Gaylingen, sind
die nideren gericht ouch deren von Schaffhusen unnd die hohen denen von
Amtmann Zürichs in Stein am Rhein. Er
wirkte in den Jahren 1534-1537, 1539-1540
und 1542-1543 als Eherichter. —
Lit.: AZürcherRef, Reg.; Emil
Stauber,
Geschichte der Kirchgemeinde Andelfingen,
Bd. II, Zürich 1941, S. 1070; Fabian,
Geheime Räte 514; HBLS III 791.
Stockach. In dem dorff hatt man kein meß, unnd behaltend sich gottes und
iren herren. Aber zuo Dörfflingen gatt es also zuo!
Semlichs, herzlieber bruoder, bin ich ganz genaigt (in yle aber geschriben,
uß beger der fromen lüten 37 ) uch zuozeschriben. Da ir yez erlernen 38 mogend,
was wyter ze thuon uch zuostand als eynam vatter der verlassnen armen, die
Christo ouch thür 39 ankomen 40 , wie unachbar sy vor der welt sind. Vermögend
aber die Schaffhuser in iren nideren gerichten ein pffar niderzelegen mit der
||67r. abgötterey unnd pfflanzen göttliches worts im kaiserthuom 41 , fill me unser
herren, ein anfang unnd spiegel götlicher warheit. Mir will aber also sin,
es gang uns eben, als wen einer eynen widerwertigen, bösen menschen vorhanden
habe unnd kunde durch kein mittel sin herr werden, er schlach im dan
vorhin sin butt trulich foll 42 ; dan habe er an im unnd vermöge unnd thuö, was
er welle, unnd kund mitt im dan naherkomen 43 ; unnd ob 44 im der kopff erschlagen,
hab er nüt mitt im kunden schaffen 45 . Also werdend wir verschreyt 46
und veracht p . Ita res nostre cum quinque pagis 47 etc. Gott gib sin
kraft unnd erweck unns uff mit der krafft, damit Jesus Christus ufferweckt
von thoten. Amen.
Dathum zuo Luoffen, in yle, uff 28. februarii etc. 1535.
Petrus Schnider,
ewer williger bruoder.
[Adresse auf der Rückseite:]Minem trewen, lieben herren unnd bruoder, Meister
Heinrichen Bullinger, predicant q zuo Zurich.