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Hans Rudolf Lavater an
Bullinger
Kyburg,
14. Juli 1535
Autograph: Zürich StA, E II 335, 2012r.-v. (Siegelspur)
Gedruckt: [Pestalozzi], Lavater 29; Stucki 291-293
Teildruck: [Hans Heinrich Füssli], in: Njbl. der Chorherren auf das Jahr
1781, 3. Stück, [Zürich 1780], S. 10fErkundigt sich, ob er einen Boten nach Straßburg schicken soll, der sich um die Dinge [seines
verstorbenen Sohnes]Heinrich kümmert, oder ob er zu einer Unterredung mit Bullinger nach
Zürich kommen soll. Seine Frau, der er den Tod Heinrichs am Vortag in der Frühe mitteilte,
zeigte sich sehr stark; auch die Trostworte von Pfarrer [Hans Seebach] waren eine große Hilfe.
Die gnad gocz well allczitt bi unß sin und unß behüten vor komer und leid etc.
zu vor, wolglerter, ersamer und min insonders vertruwter, günstiger und lieber
herr etc.
Alß ich dan in gestrigem schriben 1 üwers racz begertt, ob üch von nötten
beduncken, daß ich einen boten gen Straßburg abczovertigen 2 , damit, ob
Heinrich 3 etwas schuldig, damit das selb bezalt, ald 4 ob man den handel in
ander weg und recherrenn costen 5 abrichten 6 , beger ich bi zöger 7 der antwurtt,
oder ob ich selb zu üch hinin komen und mit üch mich muntlich underreden.
Witer, min sonders früntlicher und lieber herr, so wüsend, das ich uff gestern
am morgen zu halben fünfen miner hußfrowen 8 den handel anzögt, und
der gestalt, si sölt nicht achten, das ich mit keiner kranckheit beladen 9 , umb
daß ich die gancz nachtt also glegen mit großem griß gramen 10 ; dan ich woll
wider zu recht komen. Das wer aber, gott der her hette unß aber mall angrifen 11
mitt etwas unfall 12 , darumb ich si fast bet, si wölt nüt erschreken, sonder
allein gott die sach uff opfern; der wurd unß ergeczen 13 . Und namlich so wer
Heinrich zu gott dem herren etc. Uff das si mich ansach, sprach: "Das ist kein
unfal, es ist gocz ordnung; dann er hat in geben und wider gnomen 14". Wer er
doch nun 15 bi unß gsin, daß wir im heten künen ratt thun 16 . Doch ich kan im
rechtt nütt thun 17 . Wan er nun nüt etwan zu tod gfalen oder in etwar erschlagen,
so muß ich mich liden 18 ; wo aber dises beschechen, wüste ich doch den
handel nüt wol zu überwinden. In dem kam unser bredicantt 19 , nam si hüpschlich 20
für die hand, daß si gancz geschickt
21 ist. Wol hat si gester und hinachtt 22
mich etwan dick anzogen
23 , ob mir nüt wüsend
24 , wie lang er glegen
und was im gsin. Und alweg: wan er nun im bet gestorben im namen gocz!
Und tröst si mich vast hüpschlich, wie woll ich mir zum höchsten züch
25 , wo
ich kan, vor irren
26 . Sömlich min schriben welend ir früntlicher meinung von
mir verstan a : dan es allein zu üch uß sunderm vertruwen beschicht. Ich kan
wol ermesen, daß ir wol anders zu schafen, aber ich die ||2012v. hofnung und
hercz zu üch trag, es üch kein verdruß oder unwilen bring. Dan je von natur
gut fründ ein andern in nott und wider wertickeit ein andern ir anligen clagen.
Also ist mir warlich gegen üch ouch. Ich hett üch ouch nach vill zu schriben
uff disen leidigen unfall, wil üch aber witer jetzmal nüt helgen
27 ; dan min
hercz und gmütt vast größlich mit kumer und leid beladen. Dan ich den zorn
gocz über mich übel enczicz
28 . Aber da sölend ir darnebend
29 min groß hercz
und gmütt zu minem gnedigen herren und gott wüsen, und daß ich ein stiff 30
vertruwen zu im hab, er werd mich nütt verlon, ob er mich schon also heim
suchtt. Wer wil sine urtell und fürnemen
31 hie ergründen? Er thut mirs vilicht
me zu gut dan zu nachteil. Sin wil beschech allczitt und verlich mir gnad zu
gedult und besrung mins lebens. Amen.
Der gütig gott welle üch in gesuntheit bewarren und üch ouch, wer üch
lieb ist, vor komer, leid und trübsall beschirmen.
Datum uff den 14. juli anno etc. 35.
Üwer gutwiliger diener
allzitt
Hans R. Lafatar.
[Adresse darunter:] Dem wolglerten, ersamen herren M. Heinrichen Bullinger,
predicant der stift 32 Zürich, minem in sonders günstigen und lieben herren.