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Die Pfarrer von Schaffhausen an
die Pfarrer von Zürich
Schaffhausen,
6. September 1535
Autograph von Erasmus Ritter: Zürich StA, E II 337, 108r.-v. (Siegelspur)
Gedruckt: QGTS II 100-102Als das Schreiben der Zürcher eintraf, hatten sie eben beim Rat das Gerichtsverfahren [gegen
den täuferischen Goldschmied Lorenz Rosenbaum]beantragt, denn eine Disputation war ihnen
nicht bewilligt worden. Ihre Klage richtete sich gegen die Vorwürfe, sie lehrten falsch, vertrieben
fromme Christen, deuteten biblische Worte willkürlich und eigennützig und seien zudem an
der Disputation überwunden worden. Rosenbaum hat für die Rechtfertigung seiner Vorwürfe
eine Woche Zeit. Mit Bürgermeister Hans von Waldkirch, der sich weiterhin parteiisch und
feindselig verhält, hatte Erasmus [Ritter] einen heftigen Auftritt, als ihnen der Rat verbot, die
Angelegenheit auf der Kanzel zu erwähnen.
Gnad und frid von gott.
Getrewen, lieben bruder, eur freuntlich und trostlich schriben 1 ist uns uff
hütt dato, wie mir uff dem rathuß gwesen 2 , uberantwort. Habent sollichs lut
sines inhalts verstanden. Aber mir hattent a schonn umm recht angerüfft 3 ; dan
uns ist von unseren herren 4 das offen gspräch abgschlagen, ursach 5 sy erkhennent
unser ler recht sin, darum wurd es schimpflich sin, das man darum erst
solte disputieren. So ist uns sunst khein gsprech anzunemen gwessen mit dem
(vgl. ebd., Anm. 12) gescheitert
war, wurde am 4. September ein Verhör
der beiden Parteien auf den 6. September
1535 vor dem Rat anberaumt (vgl.
QGTS II 98). Von diesem Verhör liegt
ein Protokoll vor (ebd., S. 99).
goltschmid
6 ; dann er hat linguam virulentissimam, und wer zu pesorgen gwesen,
wa mir im gsprech uns mit aim schmachwortlin hetten lassen merckhen,
das es uns demnach hette im rechten ein hindernuß pracht, dann man glich
hette gesucht ein öbenhohe
7 und gsprochen: "Si hand in eben als hoch als 8 er
si gescholten; gand b heim und send
9 zu paiden syten hüpsch c10 ." Darum mir
schlechtlich 11 recht hand angerufft umm die schmachred, so er dem wort gottes
und unserem ampt hatt zugeredt, unser person gantz hindan gesetzt, wiewol
mir desshalb wol zu klagen hetten umm viler schmachwort halben. Aber
soverr und er allain hette, wolten mir khain recht gesucht han, mir hetten dann
das not halben nitt empören
12 mögen, und ob uns not wurde sin, wellen mir
dasselb ouch vorpehalten hand. Aber umm die nachvolgenden artickhel klagen
mir uns, rieffent ouch das recht an, das er sollichs uspring
13 dem rechten
genugsam. Ob dann das peschech, mustent mir witter erwartent, was unsere
herren darin handleten. Wo aber das nit, syen mir hoffnung, das er unserer ler
und unserem ampt soll aberwandt
14 thun, dann unser person halb pegerent mir
gar khain rach, mir mögent sinen dan nit empören.
Die artickhel: 1. Unser ler sye falsch und ungerecht. Das welle er mit gots
wort uspringen. 2. Alle die, so ein christlich, frum leben pegeren zu fieren, die
verjag und vertrib man. Da hat im ainer geantwort: "Wann ich frumklich lebte,
so hette ich guten platz. Ich gieng dahinin in die statt, ouch da hinuß gen
Zurich." Hat er geantwort: "Wann ainer so frumm lebte als sant Petter und
Paul, so liessent in die predicanten nit peliben." 3. Mir marteren die wörtlin,
und wenn es ann die warheitt khumm, so uberspringent mirs umm unser
buchs und nutz willen.
Die antwurtt dess goldschmids: Hindan gesetzt vil stempany 15 , er hab vermeint,
er hab es schon uff d uns uspracht. So vermain er ouch nit, das er mine
herren noch die ler gescholten hab, sunder unser person etc. Aber mir sollent
darpringent 16 , das mir die gesandten syen, so khum man pald ab der sach 17 ;
Bd. IV, Frauenfeld 1917, S. 372; QGTS
II 92, Anm. 1.
und das thu er allain umm khürtz willen (das hatt er von Waldkilch
18 gwislich;
der liset die Zoffinger disputatz
19 , hatt gesterigs suntag ein sextemam
20 ann
offnem platz ummtragen), und er welle neut lougnen
21 . Warum mir den fierten
artickhel nitt ouch anziechen; dann e er well uns nit lougnen, mir sollent in
ouch f anziechen. Derseib luttett, wie mir mit den töufferen disputiert, haben
sy uns geschwaigt und uberwunden.
Unser antwurtt: Mir habent clagt wie oben, sien hoffnung, er solle lut der
artickel uspringen, thun dem rechten genugsam, und mir syen khain g uspringen
schuldig. Wo aber das recht vollendet werde, manglen dan im oder anderen
an unser sendung, wollent mir das im, unseren herren oder öffentlich oder
vor verordneten personen antwort geben; setzen das zu erkhantnuß dess rechten
22 . Und h diewill er den fierten artickhel selbs peger, wollent mir das selbing
gern thun. Ist ouch in die klag verzeichnet i Das gelichen er sin antwort
ouch.
Darum luttet die urteil, das maister Lorentz 23 lutt der klag, so die predicanten
gethon, all artickhel soll usspringen, dem rechten genugsam, piß uff heutt
acht tag 24 . Es geschech dann oder nit, soll witter beschechen, was recht ist.
Darum, freuntlichen, lieben bruder, pittent mir euch, ir wellent uns zwischen 25
zukünfftigen gutemtag 26 euren treuen ratt, so es muglich ist, eroffnen. Mir
sagent euch hohen danckh umm alle lieb und trew unnd hohens erpietten, und
wo mir das notturfftig sin wurdent erfindent, wellent mir uich darum nit unersucht
lassen.
Aber dess Waldkilchs halb ist alle sach vergeben; dann er halt sich so partiisch,
das es nit genugsam mag erzelt werden. Er ist unser grösserer findt
dann der goltschmid. Dann, lieben prieder, ir sollent wissent, das nechst verschinen
sambstag k27 nach der gutigen handlung 28 darinn ||108v. usgericht, dann
mir pehartendt, das thett er ouch, als mir vemement, wiewol mir uns guetiklich
begabent 29 , wann er vor ainem versamleten ratt wolte bekhennen, das er
in aller diser rede hette dem wort gottes, unserer ler, ouch unseren personen
unrecht l gethon und unser lerr und ampt wer recht und warhafft, wuste ouch
von uns nut dann lieb, er und guts m , so wolten mir vernugt 30 sin. Aber die verordneten
31 stundent uff, das mir wol hand vernomen, das er das nit hatt wellen
annemen. Darum ein radt witter sich hat erkhentth
32 , das mir soltent an der
kanzel still schwigen von disem handel, oder sy woltent mit uns handlen, das
uns zu o schwer wurde. Aber deß Waldkilchs parthy hatt uns nebenzu vilfaltig
mit lugen usgschrven
33 . Es hatt ouch der lang zunfftmeister
34 , so zu Zurich
gwesen, usgeben, Maister Heinrich
35 sy ubel uff uns, das mir so rachgirig
syen. Aber mir hand es trostlich
36 widersprochen, wissent wol, das es nit war
ist. Wie aber Waldkilch uns die erkantnuß miner herren hatt eroffnet, hatt
Erasmus
37 geantwort also: "Wie khumpts, diewill
38 die, die man päbstler nennet,
hattentt das regiment in irer hand und si mir verputten, das ich nit solte p
von der mesß predigen, do khament die (die villicht jetz nit ein kleini ursach
send, das mir das mul verstopft wiert) zu mir und sagtent, wo ich mir ließ das
mul verpinden, so were ich nit ein rechter predicant." Da hatt inn der Waldkilch
zum dritten mal unverschampt haissent liegen in hals hinin
39 . Und hat
aber vorhin q auch ein mal gthon sollichs umm der touffer willen an offnem
marckh on alle vorgendi ursach. Do war ein touffer gfangen, sagt Waldkilch,
warum mir predicanten nit lugtent 40 , das der gut piderman uskhäm etc. Under
anderen worten sagt ich, Erasmus: "Die touffer trungent als wol uff die iusticiam
operum als die pabstler." Da hies er mich aber 41 ob dreu oder fier mal
liegen in hals uffs grobest, und hat ein gschray, dass sin schwager Urich von
Fulach
42 herab us sim huß lieff und in hinweg fuert. Und was doch khein vorgende
ursach darzwischen, weder wenig noch vil. Sollichs wellent mir uich
nit verhalten; dann der man halt sich so gar partiisch py tag und pi nacht, mit
wort und werckhen, das es zu erparmen ist.
Darmit send gott pevolhen.
Datum Schaffhusen, 6. septembris 1535.
Die diener der kilchen zu Schaffhusen,
uer brüder.
[Adresse auf f. 109v.:] Den fromen und getreuen dieneren der kilchen zu Zürich,
unseren lieben briederen.
An Meister Heinrich Bullinger.