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Hans Vogler an
Bullinger
St. Gallen,
30. April 1532

Autograph: Zürich StA, E II 351,147. Ohne Siegelspur Teildruck: ASchweizerRef IV 1582

Dankt für ein Schreiben Bullingers. Berichtet über die Appenzeller Landsgemeinde vom 28. April und die tapfere Haltung des Bartholomäus Berweger. Grüße.

Gottes gnad und sin erbärmbd erhalte unns.

Gelieptter herr und bruder, üwer zuschriben 1 und dancksagung gott für mich hab ich empfangen. Dancken gott, der welle sich üwer erbarmen an das end etc.

Demnach nüwe zittung von der lantzgmaind Appenzell sontag ghalten 2 : Es habend die evangelisch gnanten für 3 meren 4 mögen, gott syg danck. Es habend min herren die 5 ortt ain brieff ab dem tag Ainsidlen 5 an die gmaind geschriben, summa 6 der inhalt, daß ir ernstlich pitt, daß sy im land Appenzell in allen kilchhörinen 7 , in jeder, mess halten lassend, wer der beger 8 . Ist haiter 9 abgemeret 10 , nit zu thun, sonder das sy blibend ston, wi si standend, und vormals gmainden und groß rät 11 angenomen habend etc. 12 Es hat och Berweger 13 , der redlich, on glichsnery 14 ,

9 Über Zehnder scheinen häufig Briefe zwischen Zürich und Bern gegangen zu sein. Ein Brief Juds an Megander aus dieser Zeit ist nicht erhalten, jedoch durchaus möglich als Antwort auf Nr. 84.
10 Berchtold Haller.
11 Versammlung des Pfarrkapitels.
12 Anna Bullinger, geb. Adlischwyler.
13 Dekan Heinrich Bullinger.
1 Ein Brief Bullingers an Vogler aus dieser Zeit ist nicht erhalten.
2 Zu dieser Landsgemeinde in Appenzell am 28. April, für die der vorliegende Brief eine Hauptquelle ist, s. noch Vadian, Diarium 415 und Rainald Fischer, Walter Schläpfer, Franz Stark, Appenzeller Geschichte, Band I: Das ungeteilte Land, [Herisau/Appenzell] 1964, S. 397f.
3 mit gutem Vorsprung (vgl. SI I 960).
4 die Mehrheit bilden, das Mehr erringen.
5 Ein Tag der V Orte in Einsiedeln ist zur
fraglichen Zeit in den EA nicht erwähnt. Vgl. aber die entsprechenden Beschlüsse der V Orte, eine Gesandtschaft nach Appenzell zu schicken (EA IV/1b 1323 g. und 1330 c.).
6 Zusammenfassung, hauptsächlicher Inhalt (SI VII 971f).
7 Kirchgemeinden, Pfarreien.
8 wer sie (die Messe) begehre.
9 klar, eindeutig.
10 durch die Mehrheit abgelehnt (SI IV 373).
11 Der Große Rat war die gesetzgebende und zugleich richterliche Behörde Appenzells. Er setzte sich zusammen aus 74 Abgeordneten der neun Rhoden.
12 1525 hatte man an der Landsgemeinde das Entscheidungsrecht der Kirchhöre in der Glaubensfrage angenommen, so daß ein Nebeneinander von altem und neuem Glauben innerhalb der einzelnen Kirchgemeinden ausgeschaltet wurde; vgl. Fischer, Schläpfer, Stark, aaO, S. 336-340.
13 Bartholomäus Berweger von Appenzell


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Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung
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gott durch in, ernstlich trutzlich 15 ghandlett und sin helden gmüt, über den aptt 16 , dess amptlüt etwas wort etlicher brucht, und die supenesser 17 under inen bim apt inkerend 18 , redlich antastett 19 . Desshalb mich nit geruwen, daß ich in oft entschulgett gegen meister Haben 20 und ander. Gott welt 21 , daß als wenig falsch in filer hertzen steckte, als ich in im hoff. Ich acht och, ain prediger uß dem land, so eß gott wil, werd uff sinody 22 zu üch komen etc.

O Bulliger, ir wissend, was ich üch oft gsagt: wenn der tüffel tut, als ob er tapffer sin, ob der warhait zu halten 23 , so ist er aim 24 aller ergstenn. Das hand ir jetz zway drü mal im schwären 25 gsechen. Dess fall 26 alle fromen klagend und ergerend. Wolhin, es ist aber überhin 27 . Der herr uns nit drü mal lognen 28 oder gar zu schanden werden. Es ist warlich not, mitt großem ernst Herodianem ins angsicht zu sagen 29 . Gott bhüt uns vor der haimlichen pestilentz 30 .

Ich hab noch nüt ferkoft; will nit gon 31 . Ich bin och noch har 32 witer onangefochten bliben, so lang gott wil. So erst gott wil, wil ich komen, dancken und zalen.

führte 1512-1521 als Hauptmann Truppen in päpstliche Dienste und nahm 1513 an der Schlacht von Novara teil. Später nahm er offen für die Reformation Partei und mußte sich 1524 vor der Tagsatzung für eine Äußerung entschuldigen, in welcher er die Ausbreitung des «lutherischen Handels» befürwortet hatte (EA IV/1a 372 h. und 380a.). Im Müsserkrieg 1531 befehligte Berweger ein Kontingent von 200 Appenzeller Knechten. Einige Male vertrat er Appenzell an den Tagsatzungen. Daß er auch nach 1531 zu den entschiedenen Anhängern der Reformation gehörte, beweist sein Auftreten an der Landsgemeinde vom 28. April 1532. — Lit.: EA IV/1a und 1b, Reg.; Fischer, Schläpfer, Stark, aaO, S. 352.371.389.397f; HBLS I 536.
14 ohne Heuchelei (SI II 604).
15 Widerstand leistend, sich widersetzend.
16 Diethelm Blarer von Wartensee, Abt des Klosters St. Gallen.
17 Schmeichler, Schmarotzer (SI I 529).
18 einkehren, Beziehungen unterhalten.
19 angegriffen, mit scharfen Worten angeredet (SI XIII 1977f). Bezieht sich wohl auf ein Votum Berwegers an der erwähnten Landsgemeinde.
20 Johannes Haab (Hab), 1503-1561, aus Zürcher Stadtgeschlecht, wurde 1523 Mitglied des Großen, 1531 des Kleinen Rates und Zunftmeister, bekleidete mehrere Staatsämter und war 1542-1560 Bürgermeister. Haab wurde oft an die eidgenössischen Tagsatzungen abgesandt und mit wichtigen Gesandtschaften ins In- und Ausland betraut. Während des Zweiten Kappelerkrieges vertrat er Zürichs Interessen in Mellingen,
Bremgarten und Bern und nahm auch an den Friedensverhandlungen teil. Haab war ein früher und entschiedener Anhänger Zwinglis, Mitverfasser des «Gyrenrupfens» 1523, Vertreter der Saffranzunft bei der Entfernung der Heiligenbilder aus den Kirchen, seit 1525 Eherichter, seit 1530 Synodalabgeordneter. Mit Bullinger war er wahrscheinlich seit 1527 persönlich bekannt und nach 1532 befreundet. Ihm und Diethelm Röist widmete Bullinger 1542 seinen Kommentar zum Matthäus-Evangelium (HBBibl I 144). -Lit.: EA, passim; ASchweizerRef, Reg.; AZürcherRef, Reg.; C[onrad] Escher, Bürgermeister Johannes Haab (1503-1561), in: ZTB 1903, NF, Jg. 26, 1-54; Jacob 181-183; HBLS IV 28.
21 wolle, gebe.
22 Eine zürcherische Frühjahrssynode 1532 läßt sich allerdings nicht nachweisen.
23 um die Wahrheit zu sagen (vgl. SI II 1225).
24 hyperkorrekte Schreibung von am.
25 in schwerer Not.
26 über diesen Unfall; gemeint ist wohl die Niederlage von Kappel.
27 vorbei.
28 verleugnen, vgl. Mt 26,34 par.
29 die Herodias rund heraus zu nennen (vgl. SI VII 254.392f). Etwa im Sinne von: Den Feind direkt beim Namen zu nennen. Anspielung auf den Mut, mit dem Johannes der Täufer die Herodias anklagte, vgl. Mt 14,3ff par.
30 Gemeint wohl die heimliche Ausbreitung des alten Glaubens.
31 es will nicht gelingen.
32 noch bisher (SI II 1559).


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Min husfrow 33 , die groß 34 ist, dancket üch. Grüst üch och mir üwer frowen 35 , kind, den vatter 36 , Leon 37 und andre etc. Gott sterck üch.

Actum Santt Gallen, 30. tag aprillen anno 32 jar.

Grüsend mir meister Kaspar 38 , den trüwen.

Üwer armer w[illiger] Hans Vogler.

[Adresse auf der Rückseite:] An min fylgelieptten Maister Hainrich Bullingeren, prediger der statt Zürych, minem glieptten hernn und bruder.