[2370]

[Ambrosius Blarer] an
Bullinger
[Konstanz],
6. März 1546

Autograph: Zürich StA, E II 357, 161f (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 420f, Nr. 1258 Da Blarers Gattin [Katharina, geb. Ryff] erst am Vortag aus Balingen zurückkehrte, konnte Blarer dem vielversprechenden [Johannes]Wolf leider nicht die gebührende Gastfreundschaft erweisen, doch hofft er, dies zu einem späteren Zeitpunkt nachholen zu können. Noch sehnlicher als Bullinger wartet Blarer auf Nachrichten von seinem Bruder [Thomas] über den [Schmalkaldischen Bundestag] in Frankfurt. [Thomas] hat versprochen, an Bullinger zu schreiben [Nr. 2384]. Auf Wunsch Theodor [Biblianders] soll doch Bullinger das Geld von [Konrad]Hofherr [verwalten]. Hofherr soll das nicht selbst tun. Blarer wird diesbezüglich an Bibliander schreiben. Genaueste Buchführung ist wichtig, damit Hofherrs Verschwendungssucht anderen nicht schadet. Blarer wird Bullingers Schrift "De sacramentis" bald zurücksenden. Er dankt Gott, dass [Agathe] Studler ihre Hinrichtung in christlicher Gesinnung erlitt. Aus Augsburg wird berichtet, dass Luther gestorben sei, dass die [Zweiten Regensburger] Religionsgespräche durch das Konzil von Trient aufgehoben und die Kolloquenten nach Trient vorgeladen worden seien, um den Konzilsdekreten Gehorsam zu leisten. [Georg] Frölich berichtet, dass [Johannes] Haller mit seiner Familie gut nach Augsburg zurückgekehrt ist. [Landgraf Philipp von]Hessen schreibt [an Konstanz] über einen neuen Krieg, den Kaiser [Karl V.]und andere planen. [Nicolas Perrenot, Herr von] Granvelle hat nämlich auf einen Brief des Landgrafen zu dieser Sache so widersprüchlich geantwortet, dass dieser Unheil wittert. Der Kaiser rüstet sich; angeblich will er [Erz]bischof [Hermann von Wied] angreifen. Granvelle hat dem Landgrafen geschrieben, dass der Kaiser nicht gegen die Protestanten rüste, was Verdacht erregt. [Das soll man wohl glauben], besonders wenn man sieht, wie der Kaiser mit dem Erzbischof umgeht, um diesen von seinem [Reformationsvorhaben] abzubringen!

S. In Wolphium illum 1 , candidissimum iuvenem ac valde, ut videtur, doctum, valde dolet quod nihil officiorum collocare potuimus. Abfuit domo uxor 2 , quae heri primum Balingeno 3 reversa est, ut convivam, nisi valde sordide tractare voluissem, mensae nostrae adhibere haud potuerim. Utinam sit aliquando aliunde, quo compensare malignitatem istam liceat!

Quod meas magno desiderio expectas, quibus diserte tibi, quid Francofordiae actum 4 sit, significem, ego longe maiore desiderio istuc a fratre 5 , ut diligenter mihi narret, flagito, et recepit ille nuper se ad te capita quaedam totius negocii scripturum; 6 id, quod ut faciat, identidem ipsi aurem vellico. 7 Puto autem te propediem illa ab ipsomet accepturum.

1 Johannes Wolf, zu diesem Zeitpunkt Pfarrer an der Predigerkirche in Zürich.
2 Katharina, geb. Ryff.
3 Balingen (Lkr. Tübingen, Baden-Württemberg).
4 Der Schmalkaldische Bundestag in Frankfurt; s. zuletzt Nr. 2354,1—4.
5 Thomas Blarer.
6 Thomas Blarer schrieb am 18. März an Bullinger (Nr. 2384).
7 Adagia 1, 7, 40 (ASD II/2 166f. Nr. 640).


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Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung
Briefe_Vol_16-201arpa

A Curione 8 per dominum te obsecro, ut pecuniam, quemadmodum Theodorus noster monuit, accipias. 10 Omnino enim nolo, ut sibi ipse sit tanta incuria Curio et tutor; sed scribam de hoc proximo nuncio et ipsi Theodoro 11 . Multum enim refert, ut rationes ipsius ad debitos calculos revocari possint apud Herbrotum 12 , ne aliis quoque ipsius negligentia (dicam an profusio?) a officiat atque ita etiam in publica commoda peccemus.

Liber tuus 13 propediem ad te redibit. Tu securo animo illum expecta.

Quod Studlera 14 dignas se penas dedit easque adeo christiano animo fide in Christum vicit, domini immensam misericordiam merito veneramur et exosculamur; qui, ubi abundavit delictum, superabundare voluit omnibus delictis maiorem suam charitatem et gratiam. 15

||162 Ex Augusta constanter scribitur mortuum esse Lutherum, 16 colloquium Ratisbonense 17 per concilium 18 esse sublatum et colloquentes Tridentum vocatos et citatos ad audiendum concilii decretum. 19

Laetus"20 paucis scribit 21 Hallerum cum suis incolumem Augustanis in sinum datum, etc. 22

Hessus 23 scribit nostris de novis bellis, quae caesar 24 et alii serio et ab integro nunc meditentur. 25 Granvela 26 ad quasdam lantgravii literas de hac re, hoc est caesaris conatibus, tanta ambiguitate respondit, 27 ut nostris suboleat nescio quid monstri, quod adversarii nostri cum caesare alant. 28 Der kaiser ist in etwas rüstung; maint man aller ding 29 , er gedenck, den bischoff

a Klammern ergänzt. —
b Von Laetus bis datum, etc. am Rande nachgetragen.
8 Konrad Hofherr.
9 Theodor Bibliander.
10 In einem Brief an Blarer vom 27. Februar 1546 (Blarer BW II 419, Nr. 1255) hatte Bibliander geraten, wegen Hofherrs verschwenderischen Umgangs mit Geld die Aufsicht über dessen Finanzen lieber an Bullinger zu übergeben; s. auch Nr. 2354,28—35; Nr. 2366,13f. Auf Bullingers Wunsch hin verwaltete Bibliander aber auch weiterhin Hofherrs Geld (Nr. 2376,28—39), wie aus Biblianders Brief an Blarer vom 22. März (Blarer BW II 429, Nr. 1267) hervorgeht.
11 Ein solcher Brief Blarers findet sich nicht in Blarer BW. Er wurde am 13. März verfasst und dem Brief an Bullinger vom 15. März beigelegt (Nr. 2381,25f). Biblianders Antwort darauf ist erhalten (Blarer BW II 429, Nr. 1267).
12 Jakob Herbrot; s. Nr. 2354, Anm. 31.
13 Bullingers Schrift "De sacramentis"; s. Nr. 2332, Anm. 29, und zuletzt Nr. 2366,7f und Anm. 9.
14 Agathe Studler, die am 27. Februar 1546
in Zürich ertränkt worden war; s. Nr. 2365, Anm. 6.
15 Röm 5, 20.
16 Luther war am 18. Februar verstorben. — Aus diesem Zeitraum gibt es keine Briefe aus Augsburg in Blarer BW.
17 Das Zweite Regensburger Religionsgespräch.
18 Das Konzil zu Trient.
19 Vgl. Nr. 2354,16—23; Nr. 2360,23f.
20 Georg Frölich.
21 Nicht in Blarer BW.
22 Johannes Haller war mit seiner Familie am 28. Februar wieder in Augsburg eingetroffen; s. Nr. 2332, Anm. 19; Nr. 2364,1.
23 Landgraf Philipp von Hessen.
24 Karl V.
25 Nicht ermittelt.
26 Nicolas de Perrenot, Herr von Granvelle.
27 Siehe PA II 18, Nr. 1385. 1386.
28 Vgl. Adagia 2, 4, 98 (ASD II/3 394, Nr. 1398).
29 aller ding: zweifellos.


Briefe_Vol_16-202arpa

von Cöln 30 anzegreyffen. Der Gravell hat dem Hesso gschriben, der kayser seye in kainer rüstung wider die protestierenden, 31 quod mox suspitionem secum adfert. Man sech ouch wol an der colnischen handlung, wie er 32 nit gyrig sey; 33 dann er hab allerlay versuch mitt dem bischoff 34 , das er abstande ab attentatis. Habe aber nichts mögen helfen.

6. martii 1546.

[Adresse verdeckt, aber noch erkennbar auf der Rückseite des Blattes, das als S. 162 nummeriert wurde, und das auf der leeren Rückseite des Blattes mit der Seitenzahl 161 aufgeklebt wurde:] D. Heinricho Bullingero, venerando suo longeque charissimo fratri. Tiguri.