Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2261]

Johannes Gast an
Bullinger
Basel,
4. Oktober 1545

Autograph: Zürich StA, E II 366, 217 (Siegelspur) Ungedruckt

Ein Brief [Kaspar] Hedios stimmte Gast traurig, denn Soldaten haben das Bistum Fulda verwüstet und ziehen in das einst so frei wie die Schweiz gewesene Land [Hadeln], nicht weit von Hamburg, das sie mordend verheeren. Der lüneburgische Herzog [Ernst] soll mit einem großen Heer in Waffen stehen, um jene, die angeblich Kaiser [Karl V.]angehören, zu vernichten. Der Kanzler [Jakob Omphalius] des Kölner Bischofs [Hermann von Wied] ist, wie es heißt, ein Verräter und soll Zuflucht zu [Karl V.]oder zu dem Kölner Klerus genommen haben. Der Pfalzgraf [Friedrich II. von der Pfalz] hat ein Schießen in Heidelberg für die Fürsten angesetzt. Dort wird man zweifellos über Deutschland beraten, denn man muss sich endlich einmal einig werden, um die Spanier aus Deutschland vertreiben zu können. Gast bittet Bullinger um Empfehlung des überaus geeigneten, evangelisch gesinnten und gebildeten Martin Peyer als Nachfolger für den verstorbenen Stadtschreiber [Werner]Beyel bei den [Zürcher] Ratsherren. Er erwartet Bullingers Brief Er schickt in Kürze einen Katalog von Neuerscheinungen an [Konrad]Gessner, der diesen an Bullinger weiterreichen wird. [P.S.:] Wenn die Zürcher Drucker [Gasts]Predigten zu den fünf [ersten]Kapiteln des Markusevangeliums nicht publizieren wollen, lässt Gast diese in Basel erscheinen und bittet Bullinger für diesen Fall um Rücksendung des Manuskripts. Er verspricht sich viel von einer Herausgabe. Grüße an [Konrad]Gessner, Theodor [Bibliander]und [Konrad]Pellikan. Das Übrige wird [Johannes] Fries berichten.

S. in domino. Eheu! Literae Hedionis 1 ingentem mihi tristitiam attulerunt, dann ein huffen kriegsknecht 2 haben das fuldenschiß episcopate gar verderbet

a Darunter von Blarers Hand: 1545 Octobri.
18 Jerobeam, ein Gott untreuer König Israels, dem die Vernichtung all seiner Nachkommen, darunter auch seines Sohnes Nadab, prophezeit wurde; s. I Kön 14, 10f; 15, 25-30. — Mit Jerobeam wird auf Franz I. angespielt.
19 Konrad Klauser übermittelte den vorliegenden Brief an Blarer; s. unten Nr. 2263,
1 Nicht erhalten.
2 Soldaten im Dienst von Herzog Heinrich di. von Braunschweig-Wolfenbüttel.
3 Das Bistum Fulda. — Die Truppen sollen


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und verwaist, ouch uffgefressen, was darinnen sein a sy. b Zühen 4 in ein lendli 5 das sunst frey ist gsin 6 quemadmodum Helvetia. Diese habent vorhin vil knecht erwurgt, die müttwillen 7 dorinn brucht haben. Und das land ist nit wit von Hamburg, etwan zehen mil von der Albia 8 . Das land sollent sy c gar wust geleytt, wib und kind erstochen. 9 Aiunt praeterea ducem Lunenbergensem 10 in armis cum magno exercitu, qui illos 11 omnino perdere instituit. Aiunt cesaris 12 esse milites 13 aut a cesare in hoc subornatos. Nescio aliquid certi de hac re scribere.

Aiunt praeterea cancellarium 14 episcopi Coloniensis 15 insignem fuisse nebulonem et arcani proditorem. Ad cesarem, ut constans est fama, aut ad Coloniensem fugit clerum illicque latitat.

Es hat der pfaltzgraff 16 ein schiessen angericht zu Heidelberg. Daruff kommen vil fursten und herren. Consultabunt absque dubio de rebus Germanic; nam tempus est, ut in concordiam semel redeant, quo Hispani expellantur ex Germanorum finibus. 17

Est praeterea, quod velim, quum protoscriba vester 18 mortuus sit, ut, d si ullo modo posses, d. Martinum Beyer 19 quem fortassis nosti, commendatum

a sein sy über gestrichenem ist nachgetragen.
b Auf dem rechten Rand von Gasts Hand ohne Einfügungszeichen und nur noch zum Teil lesbar d[...]maria und darunter H[...]idil, was Johann Jakob Simler in seiner Abschrift (Zürich ZB, Ms S 58, 63) als Dietmaria Heidel gelesen bzw. interpretiert hat.
c sy über der Zeile nachgetragen.
d ut über der Zeile nachgetragen.
sich jedoch im Stift Bremen versammelt haben; s. Zürich StA, A 205/1, Nr. 197.
4 Sie ziehen.
5 Gemeint ist das Land Hadeln.
6 gewesen. — Hadeln war unabhängig gewesen.
7 Willkür; Übermut.
8 Elbe. —Zehn deutsche Meilen entsprechen ca. 80 km.
9 Zur Einnahme Hadelns durch Christoph von Wrisberg, Truppenführer im Dienst von Herzog Heinrich von Braunschweig (welcher um Mitte September 1545 in Hadeln eintraf und dem das Kriegsvolk dort am 17. September den Eid leistete), s. Daniel Wolderich Bilkau, Hadeleriologia historica, Hamburg 1722, S. 85f; Ißleib 30-34; PA III 284, Nr. 2638; Moritz von Sachsen PK II/I 323, Nr. 744.
10 Herzog Ernst der Bekenner von Braunschweig-Lüneburg-Celle.
11 Die Soldaten Herzog Heinrichs.
12 Karl V.
13 Die Soldaten Herzog Heinrichs.
14 Jakob Omphalius (1500-1567), der im Jahr 1545 von Erzbischof Hermann von Wied zum kurkölnischen Kanzler ernannt wurde. Im Gegensatz zu dem hier Behaupteten wirkte Omphalius weiter für Hermann von Wied; s. NDB XIX 533f; Pollet, Relations I 197-199; Ingmar Ahi, Humanistische Politik zwischen Reformation und Gegenreformation. Der Fürstenspiegel des Jakob Omphalius, Stuttgart 2004— Frankfurter Historische Abhandlungen 44, S. 117. 124. 160-176.
15 Hermann von Wied.
16 Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz.
17 Vgl. Christopher F. Laien, Die Kultur der Spanier in Österreich unter Ferdinand J. 1522-1564, Wien/Köln/Weimar 1997 — Junge Wiener Romanistik 14, S. 111.
18 Werner Beyel, der vor dem 28. September 1545 verstorben war. Sein Nachfolger war schon bestimmt; s. oben Nr. 2255, Anm. 15.
19 Martin Peyer.


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hac in re haberes, ipsumque tuis senatoribus e describeres, si ulla spes esset consequendi hoc f offitii. Non potestis habere convenientiorem, commodiorem, fideliorem religionique christiani addictiorem quam illum. Fratribus evangelii adhaerebit. Latine et Grece mediocriter est doctus. Egregiam habet staturam et alias humanus et civilis vir est. Exerceret se in scribendo et ornaret g suam dictionem ex consuetudine dicendi, etsi satis aptus sit ad omnia, ad que animum applicat. Si commode poteris, sis illius memor.

Vale. Basilea, 1545, 4. octobris.

Expecto literas tuas. Indicem librorum novorum 2 ° mittam brevi d. Gesnero, qui illum tibi communicabit.

Tuus Gastius.

||217v. Si typographi tui nolunt in 5 21 illa capita evangelii S. Marci annotationes imprimere, remitte exemplar, et ego fortassis Basilea curabo excudi. Nam mihi videtur ingentis esse fructus, si Germanice legantur heae conciones a populo nostri civitatis, in quibus mores nostrorum in omnibus concionibus taxantur.

Vale iterum cum uxore 22 et lib[e]ris h23 . D. Gesnerum et Theodorum 24 nostrum cum Pellicano nomine meo salutabis. Reliqua Frisius 25 noster narrabit.

[Adresse darunter:] D. Heinrycho Bullingero, theologo doctissimo et humanissimo. Zurich.

e senatoribus über der Zeile nachgetragen.
f hoc über der Zeile nachgetragen.
g In der Vorlage ornarat.
h e in liberis im engen Einband verdeckt.
20 Gast meint einen Katalog mit den in Basel neu erschienenen bzw. neu erhältlichen Büchern; s. schon oben Nr. 2143, 12f; 2148, Anm. 8.
21 Gast hatte Predigten über die vier (nicht
fünf) ersten Kapitel des Markusevangeliums nach Zürich geschickt; s. oben Nr. 2214, 57-65 und Anm. 39.
22 Anna, geb. Adlischwyler.
23 Zu Bullingers Kindern s. oben Nr. 2061, Anm. 17.
24 Theodor Bibliander.
25 Johannes Fries, der wohl den vorliegenden Brief überbrachte.